Im ersten Artikel zum Thema „Welche Rechte haben wir?“, habe ich Grundrechte vorgestellt, die unsere Privatsphäre im Internet schützen. Ich habe auch erklärt, wie Grundrechte funktionieren und wie sie ggf. vom Gesetzgeber eingeschränkt werden können.

Im zweiten Beitrag zum Thema, stelle ich die aktuelle Situation um existierende und geplante Überwachungsgesetze vor.

(1) Vorratsdatenspeicherung

Regierungen und Ermittlungsbehörden würden gern unsere Telefonate, Emails, unser Bewegungsverhalten und unsere sozialen und geschäftlichen Kontakte auf Vorrat speichern. Man nennt das auch „Anlasslose Vorratsdatenspeicherung“. Anlass-los, da sie grundlos erfolgt. Ohne Verdacht, ohne richterliche Genehmigung. Es ist ein harter Eingriff in unsere Freiheit und eine Verletzung unserer Grundrechte.

Deutschland 2017 – Im Bundestag wurde ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung verabschiedet. Auf Grund von massiven Protesten und offener Verfassungsbeschwerden wird es aber momentan nicht angewendet.

Es sei unverhältnismäßig und unzulässig, pauschal die Daten von 82 Millionen Bundesbürgern zu erheben, sagte der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki (Quelle: heise.de, 27.01.2016)

Mit dem anlasslosen Protokollieren von Nutzerspuren kann sich niemand mehr frei fühlen, meint der neue Bundesjustizminister Marco Buschmann. (Quelle: heise.de, 21.12.2021)

Europa 2020 – Der Europäische Gerichtshof hat die anlass-lose Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig erklärt.

Eine pauschale Vorratsdatenspeicherung? Der EuGH sagt erneut nein. Ausnahmen: Gezielt gegen schwere Kriminalität und Bedrohung der nationalen Sicherheit. (Quelle: heise.de, 06.10.2020)

Europa 2021 – Neben Deutschland werben Luxemburg, die Niederlande, Schweden und Ungarn für eine neue Pflicht auf EU-Ebene, Nutzerspuren umfassend zu protokollieren. (Quelle: heise.de, 02.12.2021)

Europa 2022Die Vorratsdatenspeicherung ist vom Tisch. Zitat: „Der Gerichtshof bestätigt, dass das Unionsrecht einer allgemeinen und
unterschiedslosen Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten entgegensteht, es sei denn, es liegt eine ernste Bedrohung für die nationale Sicherheit vor.“ (Quelle: EuGH, 20.09.2022)

(2) Staatstrojaner  – Überwachung unserer digitalen Geräte

Um die Verschlüsselung in der Kommunikation zwischen zwei Endgeräten zu umgehen und Online-Durchsuchungen zu ermöglichen, wollen Ermittler auf digitalen Geräten Schadsoftware installieren. Behörden nennen das Quellen-Telekommunikationsüberwachung.

Man installiert Schadsoftware auf deinem Smartphone und greift auf deine Nachrichten zu, bevor sie verschlüsselt an den Empfänger gesendet werden. Natürlich kann so ein ein Trojaner auch alle deine Bilder, Passwörter und Dokumente auslesen.

Besonders ungewöhnlich, die staatlichen Akteure nutzen für diese Überwachung nicht entdeckte Sicherheitslücken in Soft- und Hardware. Da sie kein Interesse daran haben, diese Sicherheitslücken zu schließen, werden sie geheim gehalten. Das trägt indirekt zur Destabilisierung der IT-Landschaft bei.

Deutschland 2017 – Durch  eine Änderung der Strafprozessordnung wurden die Verwendung von Staatstrojanern,  eigentlich eine extreme Maßnahme zur Terror-Abwehr, nun als Standardverfahren zur Bekämpfung von Alltagskriminalität für die Polizei freigegeben.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hat am 22. August 2018 in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde gegen den Einsatz von sogenannten Staatstrojanern und den unverantwortlichen staatlichen Umgang mit IT-Sicherheitslücken eingelegt. (Quelle: freiheitsrechte.org, 20.05.2017)

Deutschland 2021 – Die Große Koalition (CDU/CSU/SPD) hat sich darauf geeinigt, dass der Einsatz von Staatstrojanern für alle Geheimdienste und für die Bundespolizei bereits gegen Personen möglich sein soll, gegen die noch kein strafrechtlicher Tatverdacht besteht. Eine entsprechende Änderung des Bundespolizeigesetzes wurde am 10. Juni 2021 im Bundestag verabschiedet.

Die große Koalition erweitert die Befugnisse der Sicherheitsbehörden massiv. Alle Nachrichtendienste von Bund und Ländern dürfen bei WhatsApp & Co. mitlesen. (Quelle: heise.de, 10.06.2021)

Das Geheimhalten von IT-Sicherheitslücken durch den Staat ist aber mit dem IT-Grundrecht unvereinbar. Denn der Staat missachtet dadurch seine Schutzpflicht gegenüber der Allgemeinheit. (Quelle. freiheitsrechte.org, 10.06.2021)

(3) Der Bundesnachrichtendienst und das BND Gesetz

Deutschland 2021 – Nachdem das Bundesverfassungsgericht auf Grund einer Beschwerde die Arbeit des BND für verfassungswidrig erklärt hatte, legalisierten die CDU/CSU und SPD Regierung im März 2021 die bisher illegalen Aktivitäten und weiten die Überwachungsbefugnisse des BND noch aus.

Unvorstellbar große Datenmengen ausleiten und verarbeiten. Internet-Anbieter wie Google oder Facebook hacken. Milliarden Menschen überwachen, auch Inländer. All das war ein Skandal, als Edward Snowden vor acht Jahren die globale Überwachung westlicher Geheimdienste enthüllte. All das darf der deutsche Geheimdienst BND jetzt ganz legal. (Quelle: netzpolitik.org, 26.03.2021)

(4) Das Ende von sicherer Verschlüsselung in Europa

Europa 2022 –  Vollständige und anlasslose Massenüberwachung der digitalen Kommunikation aller 500 Millionen EU Bürger.

Die EU-Kommission plant 2022 ein Gesetz zum Schutz vor der Verbreitung von Kinderpornographie. Dazu sollen die Anbieter von Kommunikationsdiensten (E-Mail, Messaging, Videokonferenzen etc.) zeitnah zur Erkennung, Entfernung und Meldung illegaler Online-Inhalte verpflichtet werden.

Das würde dazu führen sichere Verschlüsselungsverfahren aufzuweichen oder heimliche Online-Durchsuchungen durch die Dienste wie z.B. WhatsApp oder Signal durchführen zu lassen.

Mit der geplanten Regelung verstößt die EU-Kommission gegen die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, die in der Europäische Grundrechtecharta (GRCh) garantiert werden. (Quelle: Gesellschaft für Informatik, 08.11.2021)


Dabei scheitert der Kampf gegen CSAM (meint Kinderpornographie) derzeit nicht an mangelnder Überwachung und polizeilichen Kompetenzen, sondern insbesondere auch daran, dass die Strafverfolgungsbehörden das Löschen von CSAM nicht veranlassen….

Angesichts der Pläne der Kommission haben wir gemeinsam mit dem EDRi-Netzwerk zehn grundlegende Prinzipien erarbeitet. Nur wenn alle folgenden Prinzipien bei Maßnahmen zur Bekämpfung von CSAM erfüllt sind, können sie rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen (Quelle: digitalegesellschaft.de, 09.02.2022)

Mehr Informationen und regelmäßige Updates zu dem Thema findest du im Beitrag „Chat Kontrolle – Massenüberwachung ist der falsche Weg„.

Wie geht es weiter?

Im dritten der Teil der Artikelserie „Welche Rechte haben wir ?“ möchte ich dir die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vorstellen. Ich möchte dir zeigen, wie die DSGVO deine Rechte als Verbraucher und Konsument schützen kann.

Quellen, Tipps und Links zum Weiterlesen

Der deutsche Bundestag, Änderung der Strafprozessordnung $ 100a zur Telekommunikationsüberwachung, 16.03.2022

Gesellschaft für Freiheitsrechte, Video zum Staatstrojaner, 16.03.20022

Der deutsche Bundestag, Das neue BND-Gesetz, 16.03.2022