Ein Freund sagte zu mir Folgendes. Wenn du als Zielgruppe Menschen ansprichst, die sich über ihre digitale Privatsphäre und ihre Online-Sicherheit noch keine Gedanken gemacht haben, musst du auch die “Gretchenfrage” beantworten. Er meint damit das „Ich habe nichts zu verbergen Argument“. Eine Antwort auf folgende Aussage:
Ich habe nichts zu verbergen.
Und ich mache doch nichts illegales.
Was ist denn dann so schlimm daran, wenn ich ein paar meiner Daten preisgebe?
Darüber ist schon sehr viel geschrieben und gesagt worden. Mit dieser Webseite möchte ich gern alle Menschen überzeugen, das ihre privaten Daten wertvoll sind. Das es sich lohnt für eine Privatsphäre im Internet einzustehen. Deshalb hier meine 6 CloudPirat-Argument, dass wir alle etwas zu verbergen haben. Und das das in Ordnung ist.
(1) Die Privatsphäre ist ein Grundbedürfnis
Wenn jemand sagt, er habe nichts zu verbergen, geht er davon aus das es bei Privatsphäre darum geht, etwas Unrechtes zu verbergen. Das ist nicht der Fall. Privatsphäre ist eine Voraussetzung dafür, dass wir mit Würde und Respekt leben können.
Wir tun nichts Unrechtes, wenn wir Liebe machen oder auf die Toilette gehen. Wir verbergen nicht absichtlich etwas, wenn wir private Orte zum Nachdenken oder für Gespräche aufsuchen. Wir führen private Tagebücher, singen in der Privatsphäre der Dusche, schreiben Briefe an heimliche Liebhaber und verbrennen sie anschließend. Privatsphäre ist einfach ein menschliches Grundbedürfnis. (Quelle: Der Wert der Privatsphäre – schneier.com)
(2) Wir brauchen Individualität und Austausch, statt Gleichschaltung
Stell dir vor, du wist in allen allen Belangen beobachtet. Dann bist du ständig in Gefahr korrigiert, beurteilt und kritisiert zu werden.
Je mehr wir uns der Algorithmen und Datenbanken bewusst werden, die zur Vorhersage (auch krimineller) Aktivitäten verwendet werden, desto vorsichtiger werden wir bei dem, was wir sagen und tun. Durch diese „Unterwerfung unter eine Norm“ werden wir zunehmend in unserer individuellen Entfaltung als Menschen beeinträchtigt.
Eine Gleichschaltung und gedankenlose Wiederholung der erwünschten Meinung, sowie die Unterdrückung von Grundrechten wie der freien Meinungsäußerung oder dem Versammlungsrecht sind zu befürchten.
(3) Deine Daten sind dein Leben
Auf Grund deiner digitalen Gewohnheiten und der Datenspur deiner digitalen Geräte lässt sich dein komplettes (auch analoges) Leben rekonstruieren. Dein Smartphone liefert Unternehmen wie Google und Facebook zu jeder Zeit deinen Aufenthaltsort und deine sozialen Kontakte. Sie kennen
- deine Interessen und lesen und analysieren deine Nachrichten.
- jede Suchanfrage die du jemals gestellt hast.
- deine Einstellung zu politischen Themen und deine gesundheitlichen Einschränkungen.
Aus all diesen Daten werden, nicht nur zu Werbezwecken, vollständige Profile erstellt. Mit denen kann man dein Verhalten vorherzusagen und dich manipulieren.
(4) Die Zeiten könnten sich ändern
Wir gehen davon aus, das wir in einer demokratischen Welt leben in der uns Grundrechte und Gesetze vor einer über-griffigen oder vielleicht auch undemokratischen handelnden Regierung schützen. Doch das kann sich ändern. Was heute richtig und gesellschaftlich akzeptiert ist, kann dich morgen vielleicht in Schwierigkeiten bringen. Du müsstest mit der Angst leben, dass deine einst privaten und unschuldigen Handlungen von neuen Autoritäten anders beurteilt werden.
Du hast ja nichts zu verbergen, solange du zu 100% mit den Ansichten und der Politik deiner Regierung einverstanden bist. (Quelle: Amesty International)
Stell dir vor, du wirst heute von Ermittlungsbehörden unter Beobachtung gestellt, weil du in der Vergangenheit an einer Demonstration teilgenommen hast.
Die Polizei könnte dich als potentiell kriminell einstufen, da du in der Vergangenheit öfter (unerkannt) zu schnell gefahren bist.
Deine Krankenkasse weißt dir vielleicht einen schlechteren Tarif zu, da du in der Vergangenheit stark geraucht hast.
Das klingt dir zu fantastisch? Die GPS-Koordinate deines Smartphones wird bei fast allen Apps automatisch mit übertragen. Unternehmen wie z.B. Google oder Facebook studieren seit Jahren deine Gewohnheiten, um sie für Werbung nutzbar zu machen. Diese Daten können auch von deiner Krankenkasse oder der Polizei erworben werden.
(5) Wer sucht, will auch etwas finden
Wenn du denkst, dass du nichts Falsches getan hast hoffst du, dass der Ermittler der deine Daten untersucht, das genau so einschätzt. Aber ..
Diese Leute suchen nach Kriminellen. Sie könnten der unschuldigste Mensch der Welt sein, aber wenn jemand, der darauf programmiert ist, kriminelle Muster zu erkennen, Ihre Daten durchsucht, wird er nicht Sie finden – er wird einen Kriminellen finden. (Quelle: Edward Snowden)
(6) Wir brauchen mehr Freiheit und weniger Kontrolle
Je mehr Menschen bewusst ihre Privatsphäre schützen und die Hoheit über ihre Daten zurück erobern, um so einfacher wird es in Zukunft sein unsere digitalen Freiheitsrechte zu verteidigen.
Quellen, Tipps und Links zum Weiterlesen
Bruce Schneier, The Value of Privacy, 23.03.2022
Amnesty International, 7 reasons why ‘I’ve got nothing to hide’ is the wrong response to mass surveillance, 23.03.2022
DigitalCourage e.V. , Moderner Mythos – Nichts zu verbergen , 23.03.2022
PS: Danke an Anna Shvets für das Titelfoto.
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